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GKP Rheinland besichtigt Evonik-Werk Wesseling

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GKP Rheinland besichtigt Evonik-Werk Wesseling

geschrieben von GKP

Gerd Wolter bleibt ganz gelassen. Mitten im Gespräch mit der GKP-Regionalgruppe Rheinland klingelt das Handy des Standortleiters des Evonik-Werks in Wesseling, zwischen Köln und Bonn. Ein Blick aufs Display: Er muss rangehen, es könnte etwas Wichtiges sein. Ein größeres „Ereignis“, wie man hier im Spezialchemie-Werk zurückhaltend statt „Störfall“ sagt, ist zwar unwahrscheinlich: Ein engmaschiges Netz an Sicherheitsmaßnahmen soll verhindern, dass Menschen zu Schaden kommen oder Gefahrstoffe austreten. Tatsächlich ist es auch nur eine Kleinigkeit, die der Aufmerksamkeit des promovierten Chemikers bedarf: Eine kleine Unachtsamkeit eines Zulieferers, kein Schaden für Mitarbeiter, Umwelt oder Anwohner, schnell behoben. Kein Wunder, dass das größte Problem der Betriebsfeuerwehr die Langeweile ist, wie Wolter lächelnd erklärt.

Krisenkommunikation bleibt bei der GKP-Exkursion daher nur theoretisches Thema – ein Feld, das sich durch soziale Medien massiv verändert. Die Explosion im BASF-Werk in Ludwigshafen im Oktober 2016 wird von Lukas Pinner von der Standortkommunikation oft als Beispiel herangezogen: Binnen Sekunden waren Bilder und Videos auf Facebook, Twitter und YouTube. Notfall-Warn-Apps alarmieren Anwohner Minuten nach dem ersten Knall. Schneller als eine Pressestelle reagieren kann. Da braucht es klare Verantwortlichkeiten und einen Plan für die Kommunikation. Das Ziel: Ebenfalls binnen Minuten soll die erste offizielle Erklärung vorliegen – ein „Bekennerschreiben“, wie Pinner es nennt: „Wir waren es, Informationen folgen.“

Aber kompliziert und umfangreich ist das Management einer modernen Chemie-Fabrik auch im Normalbetrieb, davon machte sich die GKP-Regionalgruppe Rheinland in Wesseling ein Bild. Evonik ist dabei nur eine von vielen Firmen, die im Kölner Süden produzieren – aber einer der größeren Player, nicht nur im Rheinland, sondern weltweit. Die Strategie des Unternehmens gibt sich nicht mit „ferner liefen“ ab: Produkte, bei denen man nicht an der Weltspitze mitspielt, werden erst gar nicht weiter produziert. Im Werk in Wesseling sind die Spitzenprodukte Kieselsäure und Methionin, eine Aminosäure. Nirgendwo auf der Welt wird mehr davon in einem Werk produziert.

Das einzige, was nicht groß ist auf dem Werksgelände, ist die Müllhalde. Früher seien mehrere Arbeiter mit der Entsorgung beschäftigt gewesen, erzählt Wolter, heute wird der Restmüll in Teilzeit versorgt: Ein kompliziertes Zusammenspiel verschiedener Produktionsprozesse sorgt dafür, dass kein Sondermüll entsteht und das Abfallprodukt der einen Anlage Rohstoff für die nächste ist – Wasser und Wasserdampf seien das einzige, was das Werk verlässt, so Wolter. Über Rohrleitungen sind die Werke unterschiedlicher Unternehmen verbunden, Pipelines, Schienen und der Rhein spannen ein europaweites Netz.

So kompliziert wie die Logistik ist die gesellschaftliche Verflechtung der Essener Aktiengesellschaft. Hauptaktionär ist die RAG-Stiftung, die zwei Drittel der Anteile hält. Ihr Stiftungszweck ist die Deckung der Ewigkeitskosten aus der Abwicklung des Steinkohlebergbaus. Evonik selbst unterhält eine eigene Stiftung, die sich sozialen Zwecken widmet – seit 2015 unterstützt sie auch kirchliche Projekte. Und natürlich geht es auch um Lobbyarbeit. Das Berliner Büro ist dabei nur ein Element. In der Kommunalpolitik wird hart über einen containerschifftauglichen Ausbau des Godorfer Hafens gestritten. Für die Wesselinger Firmen, deren Zulieferer mit hunderten LKW täglich die Straßen verstopfen, wäre er wichtig, politisch ist er aber umstritten: Eine komplizierte Gemengelage aus Politik, Umweltschutz und Finanzen.

In der Stadt Wesseling selbst bemüht sich der Chemie-Gigant um Bürgernähe: Ein Büro beantwortet Fragen der Anwohner, die Belegschaft ist präsent auf Straßenfesten, und – es ist schließlich das Rheinland – die Karnevalshoheiten des Umlandes werden zu einer eigenen Sitzung aufs Werksgelände eingeladen.

Für die GKP-Mitglieder der Regionalgruppe Rheinland war die Exkursion zu Evonik ein interessanter Einblick in ein gesellschaftliches Feld, das ansonsten oft nicht im Fokus katholischer Journalisten steht – und in die Arbeitsweise und die Herausforderungen eines Weltunternehmens.