geschrieben von Christoph Strack
Propst Gerald Goesche, ein ursprünglich aus dem Bistum Aachen stammender Geistlicher mit zwischenzeitlichem Engagement bei der von Rom abgespaltenen Piusbruderschaft des Schismatikers Marcel Lefebvre, baut im Stadtteil Gesundbrunnen seit bald 20 Jahren in traditionsreichen Gemäuern eine Gemeinde auf, die die alte Liturgie, die tridentinische Messe pflegt.
Ein einfacher Werktagsabend in der Osterzeit – und in den Kirchenbänken mehr als 50 Gläubige. Der Priester, ein aus Polen stammender Geistlicher, feiert vorn am Hochaltar für sich die Heilige Messe, zur Predigt in deutscher Sprache kommt Propst Goesche nach vorn an den Ambo. Und wie bei der Alten Messe üblich, wird ausschließlich Mundkommunion praktiziert.
Bundesweit bekannt wurde Propst Goesche, als er bald nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland und angesichts des Verbots öffentlicher Ostergottesdienste genau das ankündigte: Gottesdienste und Messfeiern mit Gemeinde – bei Einhaltung der üblichen Abstandsregeln – im Kirchenraum. Er klagte gegen die Einschränkungen beim Bundesverfassungsgericht, der Rechtsstreit ist bis heute nicht endgültig entschieden. Nach Corona hat das Oratorium die Zahl der Gottesdienste erhöht: Goesche spricht von 280 Teilnehmenden beim sonntäglichen Hochamt und jeweils 80 bei zwei weiteren Messfeiern.
„Wir sind eine Erneuerungsunternehmung in der Kirche“, sagt er später beim Gespräch. Da macht er im mal ernsten, mal humorigen Gespräch bei gastfreundlicher Verköstigung die Dankbarkeit gegenüber den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. deutlich. Bei der Bewertung des aktuellen Papstes bleibt er da zurückhaltend. Für Goesche ist Rom zuständig, der Papst, nicht der Berliner Erzbischof.
Zum Dank bekommen wir beim Hinausgehen noch das jüngste Heft der Informationen des Instituts. Sie machen neugierig, am Abend noch mal reinzuschauen. Da wird Goesche schriftlich deutlicher, als er mündlich war. Er äußert sich zum Motu proprio „Traditionis custodes“, jenem Schreiben vom Mai 2021, mit dem Franziskus das Motu proprio „Summorum Pontificum“ seines Vorgängers vom Juli 2007 revidierte und deutlich restriktivere Vorgaben für die tridentinische Messe macht. Der Propst nennt Franziskus da einen „modernen Tyrann“, der mit dem jüngsten Vorgehen gegen die Alte Messe „seinem Amt beträchtlichen Schaden“ zufüge. Goesche schreibt von der „Panik einer Gerontokratie, die mit der längst widerlegten Gemeinplätzen der 70er Jahre um jeden Preis, auch zum Schaden der Kirche, Recht behalten will“. Goesche sieht den „Versuch des Papstes, mit dem Ozeandampfer Kirche eine Haarnadelkurve hinzulegen“. So freundlich, wie das Gespräch war, so entlarvend wirkt auf mich die Lektüre. Ein freundlicher und eben enttäuschender Abend.