Aus den GKP-Informationen

Die GKP in Genf

| 6 min Lesezeit

Die GKP in Genf

geschrieben von Christoph Strack

SBB, OSZE, ICMC, KAS, SFC, UNIDIR und UNHCR, IKRK und WTO, WHO, WTO, EU, EBU und ÖRK… Und das sind nicht einmal alle Abkürzungen, denen man als Teilnehmender der Genf-Exkursion der GKP Mitte März begegnen konnte. Eine Stadt voller offizieller Institutionen, Organisationen, Lobbyisten. Und dementsprechend ein gedrängtes und qualitativ hochwertiges Programm. Das im übrigen schon mit der Möglichkeit begann, während der Anreise aus dem Zug an einem Zoom-Gespräch mit einem langjährigen Insider der internationalen Dialogs in Sicherheitsfragen teilzunehmen.

Für das Programm hatte Raphael Rauch gesorgt, der seit der Magdeburger Jahrestagung der GKP im Herbst 2021 über Möglichkeiten gegrübelt hatte. Und dem es dann gelang, die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und deren Büro „Multilateraler Dialog Genf “, Direktor Olaf Wientzek und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Sarah Ultes, für diese GKP-Exkursion in die Schweiz zu gewinnen. Die Stiftung hatte durch Wientzek und Ultes ein vielseitiges Programm zusammengestellt, dicht getaktet, aber ohne Stress, mit hochrangigen und gleichermaßen interessanten Köpfen. Ein Beispiel: An einem einzigen Tag sprachen wir mit mehreren Diplomaten. Und jedes der drei Gespräche lohnte sich. Auch wenn der Austausch jeweils als Hintergrund-Gespräch lief und hier deshalb nicht groß zitiert wird, lässt sich doch das ein oder andere schildern.

Zum Beispiel die Begegnungen mit zwei führenden Köpfen der kirchlichen Szene im UN-Kosmos Genf. Gleich am ersten Abend sprachen wir mit Monsignore Robert J. Vitillo, dem Generalsekretär der Internationalen Katholischen Migrations-Kommission, der ein paar Stunden vor dem Treffen von einem Ukraine-Besuch zurückgekehrt war. So ein pfundiger US-Father, bewundernswert vernetzt (früher war er bei Caritas international), im Gespräch rasch nur „Bob“, der direkte Eindrücke aus dem Land, von der Not, von den Bedürfnissen, aus der kirchlichen Arbeit schilderte. Wie aktuell und gut diese Schilderungen waren, wurde mir bewusst, als er gut zehn Tage später mit ähnlichen Schilderungen bei Vatikan News zum Gesprächspartner wurde. Und am nächsten Morgen empfing uns der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls in Genf, der Apostolische Nuntius Erzbischof Fortunatus Nwachukwu (62), in seiner Residenz. Sympathisch und durchaus kritisch mit Blick auf manche europäische Sichtweise stand er uns Rede und Antwort. Kaum eine Stunde später – der Nuntius hatte sich wegen eines wichtigen Telefonats entschuldigt und wir waren weitergezogen – kam dann die römische Mitteilung, dass Nwachukwu ab dem Sommer Sekretär des Dikasteriums für die Evangelisierung im Vatikan wird. Nwachukwu begann übrigens, wie Jorge Mario Bergoglio ab 1986, wenig später ein Promotionsstipendium in Frankfurt St. Georgen (bei Norbert Lohfink). Eine Dissertation, die er – wie auch Bergoglio – aus dienstlichen Gründen nicht abschloss. Damit wird verständlich, dass er manches deutsche Wort, übrigens auch aus dem bayerischen Idiom, fehlerfrei ins Gespräch einfließen lassen kann.

Für die weiteren Gespräche: Globalisierung hat hier einen anderen Klang als in deutschen Debatten; sie ist präsenter und steter Gedanke. Deutlich wurde, wie sehr Diplomatie ein geduldiges Arbeiten auf lange Sicht, in kleinen und auch ganz kleinen Schritten ist, häufig geprägt von Vertrauen und Vernetzung. Was das alles bedeutet in der neuen globalpolitischen Welt seit dem 24. Februar 2022 mag sich jeder ausmalen.

Wir hörten auch staunend die glaubhafte Schilderung, dass Abrüstungsexperten über Jahre und viele Jahre beraten und verharren und vertagen, ohne Übereinkünfte zu erzielen, und doch das Gespräch nicht abbrechen. Und von Genf aus hat man einen anderen Blick auf Berlin und auch auf Brüssel, was beide Standorte gar nicht herabsetzen soll, sondern die Kommunikationskompetenz und Deutlichkeit beider Hauptstädte herausfordert. Denn Genf ist nicht einfach die kleine Schwester neben dem großen UN-Standort New York; vieles, was bei Generalversammlungen am East River entschieden wird, wurde über Monate am Genfer See vorbereitet. Und anders als das gewaltige New York, in dem der UN-Betrieb eigentlich selten auffällt, prägt die Internationalität das durchaus beschaulich elegant wirkende Genf.

Drei Termine im religiösen Kontext sollten noch Erwähnung finden. Zunächst sprachen wir einen Abend lang mit wichtigen Repräsentanten der Laien-Seite der katholischen Kirche in der Schweiz und lernten darüber, dass das den Eidgenossen eigene Selbstbewusstsein auch im kirchlichen Arbeiten gilt. Dann waren wir am Morgen des Abschlusstages zu Gast beim Jüdischen Weltkongress (WJC) und dessen sympathischem Vertreter Leon Saltiel, der für den Weltkongress am Standort Genf die Antisemitismusbekämpfung koordiniert. Wir saßen schon eine Weile zum Gespräch um einen Tisch, der seine besseren Zeiten schon hinter sich zu haben schien, als Saltiel sagte: „Dieser Tisch hat Geschichte geschrieben.“ Just an diesem Möbel wurde 1936 in Genf der Weltkongress gegründet.

Und einige Stunden später wurden wir ausgesprochen herzlich beim Weltkirchenrat (WCC oder – nach dem weithin nur im Deutschen verwendeten Begriff Ökumenischer Rat der Kirchen – ÖRK) empfangen. Deutsche Medienvertreter in Gruppenstärke kommen wohl nicht allzu oft hierhin. Kommunikations-Direktorin Marianne Ejdersten stellte uns das Haus und die Arbeit vor, vor allem hatte sie für uns Gespräche mit der seit wenigen Monaten amtierenden Spitze des WCC organisiert. Zuerst zoomten wir aus einem Saal des Gebäudes mit dem neuen Vorsitzenden des (in der WCC-Struktur wichtigen) Zentralausschusses, Bischof Heinrich Bedford-Strohm; dann kam der neue Generalsekretär, der südafrikanische Theologe Jerry Pillay, hinzu und übernahm im realen Gespräch die Gruppe. Vieles, was beide schilderten, war ausgesprochen interessant. Manches, ihr Vorausblick auf eine Begegnung mit Papst Franziskus im Vatikan sechs Tage später oder Vor-Überlegungen zu einem WCC-Dialogversuch mit der russischen Orthodoxie, war geradezu spannend. Und so sorgten sie, was bei GKP-Reisen auch nicht so oft vorkommt, an diesem Freitag für Agenturmeldungen und in den folgenden Tagen für weitere Berichterstattung. Aber auch die GKP-Gruppe selbst wurde Medienthema: Wir landeten samt Gruppenfoto mit Pillay im wöchentlichen WCC-Newsletter.

Genf, dieses Weltstädtchen am See mit dem Spätwinter-Blick auf den Mont Blanc, war – das lässt sich mit großem Dank an die KAS, Olaf Wientzek und sein Team und auch an Raphael Rauch sagen – sicher eine GKP-Reise wert und hätte wohl in einigen Jahren auch eine Nachfolgeunternehmung verdient. Die Form, bei einer wichtigen Destination die Zusammenarbeit mit einer Stiftung zu suchen, hat sich bewährt.